Wie wird die IT zum Business Partner?

Seit einigen Jahren ist in vielen IT-Leitbildern von Unternehmen die Vision formuliert, dass sich die IT von einer Kostenstelle zu einem Business Partner entwickeln soll. Der allseits anerkannte Druck der Digitalisierung verstärkt die Bedeutung dieser Idee. In diesem Blogbeitrag widme ich mich der Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die IT als Partner des Business wahrgenommen und akzeptiert wird.

Das Ziel der Transformation der IT-Abteilung an sich ist sicher unstrittig, jedoch bleibt es in zahlreichen Unternehmen eine leere Phrase, da nicht klar ist, wie diese Transformation umgesetzt werden soll. Als Ansätze werden dafür unter anderem die Cloudifizierung der Infrastruktur, die Nutzung agiler Methoden oder eine andere Kostenverrechnung als Lösungswege genannt. In der Praxis findet sich trotz zahlreicher Initiativen in diesen Themen jedoch häufig ein anderes Bild: Fachbereich und IT arbeiten in stummer Missachtung nebeneinander her; wertschöpfende Kooperation ist nur in Einzelfällen vorhanden, wenn sich die Beteiligten auf persönlicher Ebene verstehen.

Vertrauen als Basis der Kooperation zwischen Fachbereich und IT

Die Frage bleibt also, wie Fachbereich und IT zu einer stetigen, wertschöpfenden Kooperation gelangen können. Ein wichtiges Indiz hierfür liefern die genannten Einzelfälle: dort herrscht Vertrauen zwischen den Beteiligten. Dieses Vertrauen umfasst beispielsweise das Vertrauen, dass gemeinsame Ziele verfolgt werden, dass das Wort des Anderen Gewicht hat und dass der jeweils Andere die eigenen Probleme versteht. Vertrauen ist also die Grundlage einer wertschöpfenden Kooperation zwischen Fachbereich und IT.

Soll die IT zu einem anerkannten Partner des Fachbereichs werden, muss personenübergreifend Vertrauen zwischen Fachbereich und IT geschaffen werden.

Das führt uns zu der nächsten Frage, wann Vertrauen entsteht: Zentrale Voraussetzung für Vertrauen sind geteilte Normen und Werte, also ein gemeinsames Weltbild. Für die IT bedeutet es, dass Fachbereich und IT ein gemeinsames Verständnis über den Wettbewerbsbeitrag der IT haben und es ein einheitliches Verständnis über grundlegende Fragen wie beispielsweise Architektur, Bedeutung der IT-Sicherheit und IT-Kosten gibt. Auch hier ist in der Praxis oftmals eine Umsetzungslücke festzustellen: die IT formuliert in ihrer Strategie zwar ein solches Bild, es ist in den Fachbereichen jedoch wenig bekannt oder wird nicht verstanden. Es fehlt in diesen Fällen an Kommunikation zwischen den Beteiligten.

Fachbereich und IT müssen eine gemeinsame Sprache entwickeln

Der Mangel an Kommunikation ist nur teilweise auf fehlende Gelegenheit zurück zu führen. Vielmehr mangelt es jedoch an gegenseitigem Verständnis. Verständnis bezieht sich dabei zum Teil auf das Fachwissen, aber auch schon auf die Aufgabe, seine Anforderungen und Problemstellungen dem Gegenüber deutlich machen zu können. Voraussetzung für ein gemeinsames Weltbild ist demnach das Vorhandensein einer gemeinsamen Sprache. Die gemeinsame Sprache muss dazu dienen, die jeweiligen Standpunkte der Beteiligten zu verdeutlichen, und zwar auf einer Ebene, zu der der jeweils andere auch eine Beziehung herstellen kann:

• Der Fachbereich muss die Wettbewerbswirkung der IT und die daraus resultierenden Anforderungen an Geschwindigkeit, Stabilität und Kosten der IT beschreiben können.

• Die IT wiederum muss verdeutlichen, welche technischen Beschränkungen sich aus diesen Anforderungen ergeben.

Zusammengefasst bedeutet das, dass für eine wertschöpfende Kooperation zwischen Fachbereich und IT die Beteiligten ein gegenseitiges Vertrauen durch ein gemeinsames Weltbild und eine gemeinsame Sprache entwickeln müssen.

Vertrauen, Weltbild und Sprache gehören zur Unternehmenskultur; die Entwicklung dieser drei ist damit eine Frage der Kulturgestaltung. Unternehmenskultur ist jedoch nicht direkt beinflussbar, sondern wird über die das unmittelbare Führungsverhalten und die Ausgestaltung der Koordinationssysteme, wie bspw. Planung oder Reporting, verändert. Hierbei zeigt die Praxis der Organisationsentwicklung, dass der Weg über die Koordinationssysteme der einfachere ist. Am Schluss stellt sich also die Frage, wie ein Koordinationssystem aussehen kann, das eine gemeinsame Sprache sowie ein gemeinsames Weltbild und damit schließlich das Vertrauen zwischen Fachbereich und IT fördert.

Ein praktischer Ansatz für die Entwicklung eines gemeinsamen Weltbilds

Aus unseren praktischen Erfahrungen stelle ich Ihnen nachfolgend einen Ansatz vor, mit dem Unternehmen sowohl die Sprache als auch das Weltbild entwickeln können und im Ergebnis dadurch das Vertrauen zwischen Fachbereich und IT fördern:¹

Im ersten Schritt ist von allen Beteiligten ein Wertschöpfungsmodell des Unternehmens zu erstellen. Dies umfasst typischerweise die verschiedenen Bereiche des Unternehmens (Vertrieb, Leistungserstellung, Support). Zur besseren Übersicht bietet es sich an, die Verantwortungslevel in operative und dispositive Bereiche zu unterscheiden. Weiterhin kann die technische Infrastruktur, sofern sie IT-Bezug hat, auch abgebildet werden. Ergänzend können die so beschriebenen Bausteine hinsichtlich der generellen Zufriedenheit mit der aktuellen IT-Unterstützung bewertet werden.

Als Ergebnis steht eine Darstellung wie in Bild 1.

Im zweiten Schritt wird für jeden dieser Bausteine ermittelt, welchen Wettbewerbsbeitrag die IT liefert. Hier können zwei grundlegende Richtungen unterschieden werden:
    • • Zum einen kann die IT als Differenzierungsmerkmal dienen und damit die zukünftige Wettbewerbsposition beeinflussen; hiermit werden die Chancen der IT abgebildet.

• Zum anderen kann die IT schon die aktuelle Wettbewerbsposition beeinflussen, da die Erfüllung der heutigen Kundenanforderungen von IT abhängt; hiermit werden die Risiken aus der IT abgebildet.

In der Praxis ergibt sich hier manchmal die Situation, dass ein Wertschöpfungsbaustein sehr unterschiedliche IT-Beiträge aufweist. In diesen Fällen sollte dieser Baustein aufgeteilt werden (hier im Beispiel „Kundenkontakt und Angebot“ sowie „Virtual Show Room“).

Durch diese Vorgehensweise wird, weitgehend unabhängig von der gegenwärtigen IT-Landschaft, der Wettbewerbsbeitrag der IT ermittelt. Im Ergebnis ergibt sich ein an die Vorgehensweise von McFarlan² angelehntes Portfolio, wie es exemplarisch in Bild 2 dargestellt ist.

In der Praxis fördert diese Vorgehensweise den Meinungsaustausch zwischen Fachbereich und IT: die Diskussion beginnt bei der Wertschöpfung des Unternehmens und wird dann auf den Wettbewerbsbeitrag der IT gelenkt. Durch die klare Darstellung des Wettbewerbsbeitrags kann der Fachbereich seine Anforderungen zum Beispiel an Geschwindigkeit oder Funktionsumfang erläutern. Im Gegenzug wird es dem IT-Bereich ermöglicht, seine Notwendigkeiten hinsichtlich Steuerbarkeit des Portfolios, Kosten und Risikovermeidung zu erklären.

Durch die konsequente und wiederholte Nutzung dieses Ansatzes entsteht bald eine unternehmensspezifische gemeinsame Sprache zwischen Fachbereich und IT. Die Analyse des Wettbewerbsbeitrags und die Ableitung der entsprechenden Anforderungen fördert das gemeinsame Wertesystem von Fachbereich und IT.

Die Erfahrungen in Unternehmen belegen schließlich, dass dadurch insgesamt die Zusammenarbeit von Fachbereich und IT sachorientierter und vertrauensvoller wird. Im Ergebnis verändert sich die Unternehmenskultur und die IT-Abteilung wird zum anerkannten Partner des Fachbereichs.

¹ Mehr zur Umsetzung dieses Ansatzes finden Sie in unserem Beitrag Strategisches Demand Management.

² https://hbr.org/2005/10/information-technology-and-the-board-of-directors

Autor: Prof. Dr. Christopher Rentrop