Das Konzept „Strategisches Demand Management“

Das Demand Management ist mit der Verbreitung von ITIL in vielen Unternehmen angekommen: die Anforderungen der Fachbereiche werden durch die IT entgegengenommen, analysiert, priorisiert; über die Realisierung entschieden und schließlich implementiert. Durch die gesammelten Erfahrungen wurden die Prozesse in den letzten Jahren immer weiter verbessert. Dennoch besteht in einigen Unternehmen eine gewisse Ratlosigkeit. Trotz des professionellen Demand Managements bestehen immer noch (erhebliche) Lücken in der IT-Unterstützung, die IT-Abteilung sieht sich zu spät in neue Systemanforderungen eingebunden oder sie bleibt bei der Schatten-IT vollständig ausgeschlossen. Was ist die Ursache für diese Situation? Dieser Frage widme ich mich in meinem heutigen Blogbeitrag „Strategisches Demand Management“.

In dem Titel steckt in gewisser Weise auch schon die Antwort auf die gerade gestellte Frage. Die beschriebene Situation des Demand Managements ist vor allem durch die kurzfristige und operative Ausrichtung desselben verursacht. Das Demand Management nimmt typischerweise die konkreten Anforderungen der Fachbereiche auf, jedoch ist dieser Prozess zumeist auf einen fassbaren Bedarf ausgerichtet. Die notwendige Konkretisierung und die Verknüpfung mit den Budget- und Strategieprozessen im Unternehmen lassen insgesamt die langfristige Perspektive in den Hintergrund treten. In der Praxis führt dies dazu, dass oftmals eine Diskussion der perspektivischen IT-Unterstützung unterbleibt. Diese Lücke kann mit dem „Strategischen Demand Management“ geschlossen werden.

Worin besteht das „Strategische Demand Management“?

Das strategische Demand Management zielt auf die langfristige Steuerung der IT-Unterstützung in den Fachbereichen. Es basiert auf zwei wesentlichen Bausteinen: dem Bebauungsplan und dem strategischen Anwendungsportfolio. Diese beiden Bausteine werden nachfolgend vorgestellt:

Der strategische Bebauungsplan stellt die Beziehung zwischen dem Architekturmanagement und dem Demand Management her. Ausgehend von den Hauptprozessen und -funktionen des Unternehmens in der Geschäftssicht werden in der Applikationssicht die genutzten Anwendungen zugeordnet. Dabei können die Anwendungen sowohl durch die IT-Abteilung als auch durch den Fachbereich verantwortet sein (in der Abbildung grün umrandet). In der Infrastruktursicht wird schließlich die technische Basis gegenübergestellt.

Das strategische Anwendungsportfolio basiert auf einem Modell von McFarlan. Hier werden die im Bebauungsplan beschriebenen Anwendungen aus Sicht ihres Einflusses auf die Wettbewerbsposition des Unternehmens bewertet. Dieser Einfluss kann einerseits bereits aktuell vorhanden sein (Geschäftliche Abhängigkeit) oder in der Zukunft liegen (Wettbewerbspotenzial); der aktuelle Einfluss prägt die Risiken bzw. die Abhängigkeit von der IT. Dieser kann grob als hoch oder niedrig eingestuft werden. Der zukünftige Einfluss wiederum wird mit der gleichen Einteilung durch die Möglichkeit zur Differenzierung im Wettbewerb definiert. Im Ergebnis ergeben sich daraus vier mögliche Kombinationen, die sogenannten Modi: Support-Modus, Umstrukturierungs-Modus, Strategischer Modus und Fabrik-Modus. Diese Modi geben sowohl den möglichen Wettbewerbsbeitrag einer Anwendung als auch Bedarfe für die strategische Steuerung wieder.

Zusammen ergeben diese beiden Komponenten die strategische Sicht auf die bestehenden oder geplanten Anwendungen und ermöglichen damit eine integrierte und langfristige Steuerung des Demands eines Fachbereiches.

Was benötige ich dafür?

Die Umsetzung eines strategischen Demand Managements erfordert kein großes Projekt. Es gibt jedoch vier zentrale Bausteine, die für den Erfolg des Ansatzes unerlässlich sind:

1. Anpassung des Führungssystems der IT

Voraussetzung für den Erfolg des strategischen Demand Managements ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Rolle der IT zwischen Fachbereich und IT. Es muss ein gemeinsames Wertesystem für den Einsatz der Technologie bestehen. Zudem müssen auch allseits akzeptierte Grenzen in der IT-Gestaltung und Nutzung gelten. Idealerweise ist zudem im Rahmen der adaptiven IT-Governance geklärt, welche Aufgaben die Fachbereiche selbst übernehmen dürfen.

2. Transparenz über alle Anwendungen

Weitere Voraussetzung ist die Schaffung von Transparenz über die Ist-Situation. Auch die Schatten-IT muss aufgedeckt sein, um den tatsächlichen IT-Demand sichtbar zu machen. Wie oben dargestellt werden die im Fachbereich erstellten Anwendungen ebenso wie die offiziellen, durch die IT-Abteilung betriebenen Systeme, in den Bebauungsplan und das Portfolio eingebunden.

3. Definition wichtiger Rollen

Die langfristige Planung des IT-Demands benötigt entsprechende Träger in der Organisation. Dazu müssen zwei wichtige Rollen im Unternehmen etabliert werden. Der Domänenarchitekt und der Process Owner. Dabei unterschiedet sich die Abgrenzung der Domänen von Unternehmen zu Unternehmen. Beispiele hierfür wären etwa „Finance“ oder „Vertrieb“. Beide Rollen müssen nicht unbedingt ein Hauptamt sein, aber es müssen genügend Ressourcen frei sein, damit für diese wichtigen Aufgaben auch tatsächlich Raum besteht.
Der Domänenarchitekt ist in der IT-Abteilung angesiedelt und hat die Architektur der fachlichen Domäne im Blick. Er ist in der Lage diese im Dialog mit dem Process Owner aus dem Fachbereich langfristig zu planen und strategische Handlungsfelder für die Weiterentwicklung der IT-Unterstützung zu identifizieren. Der Process Owner wiederum diskutiert im Fachbereich die IT-Vision und ist in der Lage diese dem Architekten zu vermitteln. Beide gemeinsam nehmen die Bewertung für das strategische Portfolio vor; sie besprechen auch, welche Fachbereichsanwendungen durch die IT betrieben werden können und welche Anwendungen Potenzial für Konsolidierungen bieten. Schließlich planen beide gemeinsam mit dem Unternehmensarchitekten die Integration und Standardisierung der Anwendungen insgesamt.

4. Anbindung an operativen Demand-Prozess und das Projektportfolio-Management

Das Strategische Demand Management muss in die weiteren IT-Managementprozesse eingebunden werden. Hierzu zählt naturgemäß die Abstimmung mit dem operativen Demand Management. Hier stehen zwei Fragen im Mittelpunkt: wann werden strategische Demands zu tatsächlich zu realisierenden Funktionen und wie werden operative Demands mit strategischem Einfluss identifiziert. Gleichzeitig muss natürlich auch die strategische Weiterentwicklung einer Domäne mit dem Projektportfolio des Unternehmens in Hinblick auf die Priorisierung abgeglichen werden.

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Die Anpassung des Führungssystems über eine adaptive IT-Governance und die Steuerung der Schatten-IT haben wir schon in verschiedenen anderen Beiträgen thematisiert. In der nächsten Zeit werden wir die beiden letzten Teilgebiete weiter vertiefen.

Sehen Sie noch weitere Aufgaben des strategischen Demand-Managements? Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.

Autor: Prof. Dr. Christopher Rentrop