Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation

In den letzten Wochen habe ich im Rahmen von Konferenzen und anderen Treffen zahlreiche Gespräche über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Initiativen zur digitalen Transformation geführt. Bei diesen Gesprächen sind ein paar wiederkehrende Muster aufgefallen, die ich zu Beginn der Blogserie “Digitale Transformation” gerne mit Ihnen teilen möchte: die Aufzählung ist dabei eher anekdotisch und als Aufruf zur Diskussion zu verstehen und weniger mit einem Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit verbunden.

Rollen

Als erster Faktor ist die entsprechende Definition und Besetzung von Rollen zu sehen: die erfolgreiche Digitalisierung hängt in erster Linie von den Trägern ab. Dabei kommt es anscheinend weniger darauf an, ob ein dezidierter CDO installiert wird; manchmal hilft diese Rolle den Unternehmen, teilweise werden die Ansätze aber auch durch auftretende politische Befindlichkeiten behindert. Wichtiger ist die Schaffung digitaler Skills in der mittleren Führungsebene sowie die Botschafter-Funktion der Unternehmensleitung.

Die mittleren Führungsebenen in Unternehmen sind für die Digitalisierung von großer Bedeutung, da sie Fachwissen, Erfahrung und Durchsetzungsmacht miteinander verbinden.

Die Unternehmensleitung führt wie in anderen Themen auch durch ihr eigenes Vorbild. Sonntagsreden über den Wandel des Unternehmens helfen dabei eben nur wenig. Änderungsvorschläge und Ideen sollten nicht alleine deshalb abgelehnt werden, weil sie keinen unmittelbaren ROI liefern. Ein Auslagern der „digitalen“ Phantasie an Berater und digitale Gurus trägt ebenso wenig zum Gelingen bei.

Zusammenarbeit

Der zweite Faktor besteht in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Funktionen: zum einen müssen die Business- und die IT Seite gut miteinander harmonieren. Zum anderen kommt es auch auf die Zusammenarbeit von Führung und Mitarbeitern an.

Die digitale Transformation erfordert eine bessere Form der Zusammenarbeit zwischen Fachbereich und IT als sie heute in vielen Unternehmen besteht. Die große emotionale und sprachliche Distanz zwischen den Bereichen und die stark auf formalen Prozessen basierte Zusammenarbeit bremst die Innovation im Unternehmen. Zudem muss die IT lernen, den Fachbereichen mehr Anteil an der IT zu überlassen. Diese Aufgabe muss aber auch von den Fachbereichen angenommen werden; sich zurück zu lehnen und die IT innovativ sein zu lassen, hilft dem Unternehmen nicht weiter. (Zur Umsetzung dieses organisatorischen Ansatzes lesen Sie unseren Blog über „Adaptive IT Governance“).

Die Botschafterrolle der Unternehmensleitung habe ich schon oben betont. Neben dem Wahrnehmen dieser Rolle müssen die Führungskräfte aber auch loslassen können. Die notwendige höhere Dynamik erreichen die Unternehmen nur, wenn die Mitarbeiter wirklich mehr Verantwortung übernehmen können. Zentralistische Führung, starre Budgets und andere Methoden der „Command & Control“-Welt bremsen die Dynamik.

Reifegrad

Schließlich hängt die erfolgreiche Transformation auch von dem technischen und organisatorischen Reifegrad des Unternehmens ab.

In technischer Hinsicht stehen vor allem Standardisierung und Integration der verschiedenen Infrastrukturelemente im Vordergrund: ohne ein durchgängiges Netzwerk, ohne vereinheitlichte Benutzerverwaltung und ohne eine Verringerung der Systemvarianten wird die Digitalisierung erheblich erschwert.

Der organisatorische Reifegrad hängt wie oben schon beschrieben von der Kooperation von Fachbereich und IT ab. Zudem müssen die IT Bereiche in der Lage sein Ihre IT-Strategie verständlich zu formulieren und gemeinsam mit den Fachbereichen weiter zu entwickeln. Schließlich leistet auch die Fähigkeit zur zielorientierten Steuerung der IT mit KPI und die integrierte Abrechnung der IT-Kosten einen Beitrag zur organisatorischen Reise.

Außerhalb der IT ist der Einfluss weiterer organisatorischer Prozesse nicht zu unterschätzen: Einkaufsrichtlinien zum Beispiel, welche die Vorlage dreier verschiedener Festpreisangebote vorschreiben, können die Projekte verzögern und zur Demotivation der Beteiligten führen. Agilität ist also nicht nur ein Parameter in der Produktentwicklung, sondern eine Anforderung an das ganze Unternehmen. Dabei ist anzumerken, dass die in der Politik aktuell hoch gelobte Digitalisierungsoffensive nur dann ein Erfolg werden kann, wenn nicht durch andere Regularien, wie beispielsweise durch das Sozialversicherungsrecht, formale Hürden aufgebaut werden, die eine flexible Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Externen erschweren.

Über Feedback zu den Gedanken würde ich mich freuen.

Autor: Prof. Dr. Christopher Rentrop