Grundlagen für eine IT-Strategie zur Umsetzung des OZG in kleinen Kommunen – Teil I

Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie sehr der Verwaltungsapparat in Deutschland von der Digitalisierung abgehängt worden ist. Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte Abhilfe leisten und die rechtliche Grundlage für die Digitalisierung schaffen. Doch bereits 2021 wurde erkennbar, dass eine fristgerechte Umsetzung bis Ende 2022 nicht machbar sein würde. Daraufhin wurden Maßnahmen wie das „EfA-Prinzip“ (Einer für alle) oder der OZG-Booster verabschiedet.[1]

Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen helfen, einen Überblick zu verschaffen und ein Grundverständnis für die Ausgangslage zu erhalten. Im zweiten Teil, der später folgt, werden die Ergebnisse der Interviews dargestellt und mit dem Strategic Alignment Model von Henderson und Venkatraman zusammengeführt. So lässt sich ein rundes Bild zeigen und die Grundlagen für die Umsetzung des OZG auch in einer kleinen Kommunalverwaltung schaffen.

Kleine Kommunalverwaltungen sind die Regel und nicht die Ausnahme

Die bisherigen OZG-Maßnahmen berücksichtigen die Belange kleiner Kommunen nur unzureichend, obwohl jene einen nicht unerheblichen Teil zur Umsetzung des OZG beitragen sollen[2]. Für Baden-Württemberg zum Beispiel fallen immerhin rund 85% der über 1.000 Kommunalverwaltungen in den Bereich mit weniger als 20.000 Einwohner.[3] Wiederum die Hälfte der ca. 11 Mio. Einwohner in Baden-Württemberg leben in Gemeinden dieser Größenordnung. Im flächenmäßig größten Bundesland Bayern fallen sogar 95% der Gemeinden in den Bereich mit weniger als 20.000 Einwohnern. Im Bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen bei ca. 45%. Es ist also deutlich, dass kleine Kommunen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung für die OZG-Maßnahmen spielen.

Unabhängig von ihrer Größe haben Kommunen ein bestimmten Anzahl an Aufgaben zu erledigen. Diese unterscheiden sich in Weisungs-, Pflicht- und Kann-Aufgaben. Des Weiteren unterscheiden sie sich, vereinfacht gesagt, im Grad der Selbstbestimmung der Kommune. Gerade im Bereich der sog. Weisungsaufgaben muss demnach eine Kommune mit 2.000 Einwohnern grundsätzlich dieselben Leistungen für ihre Bürger erbringen wie eine Kommune mit 200.000 Einwohnern. An dieser Stelle setzt dieser Beitrag an und fasst die Erkenntnisse zu IT-Strategien für kleine Kommunen zusammen.

Untersuchte Hypothese: Auch kleine Kommunen können eine IT-Strategie umsetzen

Zur Beantwortung der Frage wurde die Hypothese aufgestellt, dass sich grundsätzlich eine IT-Strategie auch in kleinen Gemeinden realisieren lässt, um dadurch den Anforderungen des OZG gerecht zu werden. Die Antwort der Frage lässt sich in Voraussetzungen und Maßnahmen zu den Umsetzungen einer IT-Strategie bewerten. Die Forschungsfragen lauten wie folgt.

  1. Was sind die Treiber und Hemmnisse der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung?
  2. Wer sind die Entscheidungsträger und haben diese eine entsprechende Sensibilisierung für das Thema?
  3. Wie könnte eine IT-Strategie im Kontext des OZG aussehen?
  4. Wie lauten die daraus resultierenden Anforderungen?

Was sind die Treiber und Hemmnisse der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung?

Die in der Literatur und durch Interviews identifizierten Treiber und Hemmnisse lassen sich in drei Bereiche gliedern. Diese wurden als Politik, Organisation und Soziales bezeichnet.

Treiber und Hemmnisse im Bereich Politik sind häufig auf rechtliche Vorgaben zurückzuführen und sind grundsätzlich eher starr, können sich aber in Folge von z.B. Wahlen neu ausrichten. Als besondere Treiber werden hier die Einforderung durch das Management als auch der grundlegende Anspruch an eine technisch aktuelle Verwaltung gesehen. Auf Seiten der Hemmnisse stehen dagegen die erwähnten gesetzlichen Vorgaben und der überschaubare Planungshorizont, der sich aufgrund von Wahlen z.B. „regelmäßig“ ändern kann. Beispielsweise kann ein Regierungswechsel dazu führen, dass bisherige Anstrengungen neu ausgerichtet werden müssen. Durch von uns geführte Interviews zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Zudem wird hier als Hemmnis häufig auch der Vergleich mit anderen Kommunen genannt. Dies ist deshalb als Hemmnis zu verstehen, da scheinbar niemand den ersten Schritt gehen will. Und wenn alle zögerlich handeln, befindet man sich hierbei scheinbar in guter „gleichgesinnter“ Gesellschaft und es entsteht ebenfalls kein Handlungsdruck.

Der Bereich der Organisation sieht Bürokratieabbau und Prozesseffizienz als wichtigste Treiber an. Ihnen stehen jedoch starre Verwaltungsstrukturen und ein Silo-Denken als Hemmnis gegenüber. In den Interviews wird als größter Treiber die interkommunale Zusammenarbeit genannt. Zudem decken sich auch hier die Aussagen mit der Literatur, dass ein Silo-Denken die Digitalisierung hemmt. Auch wurde genannt, dass fehlende Verantwortlichkeiten in den befragten Kommunen als Hemmnis bei Digitalisierungsbemühungen gesehen werden.

Für den dritte Bereich Soziales sieht die Literatur vor allem die Treiber bei der Arbeitgeberattraktivität bei den Bemühungen um Fachkräfte. Ein moderner Arbeitsplatz kann helfen, auf sich aufmerksam machen. Dies wirkt sich auch auf den Treiber Fachkräftemangel aus, da die Digitalisierung schlanke und effiziente Prozesse fördern kann, wodurch fehlende Fachkräfte, zumindest stellenweise, kompensiert werden können. Allerdings stehen diesen Treibern Hemmnisse in Form von z.B. einer zunehmenden Arbeitsbelastung der Mitarbeiter entgegen, weil den Kommunalverwaltungen immer mehr Aufgaben übertragen werden. Auch ein gewisser fehlender Veränderungswille sei in den Kommunalverwaltungen vorhanden. Auch aus den Interviews kommen ähnliche Rückmeldungen. Hier wurde von negativer Gruppendynamik und einer gewissen Passivität der Mitarbeiter gesprochen, wenn es um die Umsetzung neuer Projekte geht. Dies wird hier allerdings mit fehlenden Kapazitäten begründet und nicht, wie in der Literatur, mit dem Veränderungswillen der Mitarbeiter. Aber auch aus den Interviews ergaben sich Treiber, wie z.B. das aktive Einfordern von Veränderungen und Umsetzungen der Führungskräfte. Nicht zuletzt wurde ebenfalls das Schaffen von vollendeten Tatsachen, wiederum durch die Führungskräfte, als ein möglicher Treiber genannt.

Wer sind die Entscheidungsträger und haben diese eine entsprechende Sensibilisierung für das Thema?

Der letztgenannte Punkt dient als schöner Übergang zur nächsten Forschungsfrage nach den verantwortlichen Entscheidungsträgern und deren Sensibilität für Digitalisierungsthemen im Allgemeinen, aber auch für das Thema der OZG-Umsetzung. In der Literatur werden als verantwortliche Personen Bürgermeister oder leitende Verwaltungsmitarbeiter genannt. Allerdings geht der Trend dahin, dass dort häufig eine entsprechende Sensibilität nicht vorhanden sei. Auch wird in der Literatur von einem Generationenproblem gesprochen, da tendenziell Personen in den verantwortlichen Positionen sind, die noch eher „analog“ aufgewachsen sind. Aus den Interviews ergibt sich bei den Verantwortlichen ein ähnliches Bild. Jedoch wird hier auch die IT ins Spiel gebracht, wenn es um die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten geht. In den Interviews zeigt sich bei den Verantwortlichen eine grundsätzliche Sensibilität für die Themen rund um Digitalisierung. Jedoch fehlt es häufig am Antrieb diese umzusetzen, was nicht zuletzt auf eine fehlende Notwendigkeit zurückzuführen ist.

Es zeigt sich also, dass sich die Entscheider der Bedeutung der Digitalisierung durchaus bewusst sind. Ein gewisser Trend, dass es aber noch an der notwendigen Relevanz bei der Umsetzung fehlt, lässt sich allerdings auch erkennen. Wie die Erkenntnisse zu den Treibern und Hemmnissen in einer Umsetzungsstrategie angewandt werden können, erfahren Sie zeitnah im zweiten Teil der Grundlagen für eine IT-Strategie zur Umsetzung der Anforderungen des OZG in kleinen Kommunen.


[1] https://www.onlinezugangsgesetz.de/Webs/OZG/DE/grundlagen/nachnutzung/efa/efa-node.html

[2] https://kommunal.de/onlinezugangsgesetz-kommunen-sind-verunsichert

[3] Vgl. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg